Immissionen und Gesundheit

Lärm wird zu einem immer grösseren Problem in unserer Umwelt. Es ist längst klar, dass Lärm krank macht. Man kann sich vermeintlich an gewisse Geräusche gewöhnen, die belastenden Effekte auf die Gesundheit bleiben aber bestehen und können nicht ausgeblendet werden. Den grössten negativen Einfluss haben dabei dauerhafte Lärmbelastung und nächtliche Immissionen, die den erholsamen Schlaf stören. Dies sind genau die Immissionen, wie sie von Windkraftanlagen verursacht werden können.

Die Bekämpfung und Eindämmung von Lärmimmissionen ist oft eine schwierige und kostspielige Angelegenheit mit mässigem Erfolg. Entstehen die Emissionen durch Anlagen im öffentlichen Interesse (Strasse, Bahn, Flugverkehr, Energieanlagen etc.) ist eine Beschwerde oft zwecklos. Das kann für betroffene Anwohner zu einer grossen Belastung werden und bis zum Wegzug führen.

Lärmverordnung (LSV) und Empfehlungen WHO (NNG)

Die Schweizerische Lärmschutzverordnung (LSV) gibt Grenzwerte für die Lärmpegel in verschiedenen Empfindlichkeitsstufen und für Tag (7 - 19 Uhr) und Nacht (19 - 7 Uhr) vor. Für neue Projekte und Anlagen sind dabei die Planungswerte PW anzuwenden. Windkraftanlagen werden als Industrieanlagen eingestuft (Vergl. Anhang 6. LSV).

Empfindlichkeitsstufe ES II gilt in Wohngebieten, ES I ist für Erholungszonen vorgesehen. Dabei muss berücksichtigt werden, dass in nachts besonders ruhigen Gebieten mit Erholungscharakter wie den Gemeinden am Fusse des Blauen schon geringere Emissionen zu grösseren Störungen führen können. Daher müsste hier ebenfalls ES I angewendet werden. Mit den Grenzwerten der ES II kann hier nachts eine Beeinträchtigung nicht ausgeschlossen werden.

Die Empfehlung der WHO für Grenzwerte in der Nacht in Wohngebieten (Night noise Guidelines NNG) geht ebenfalls von den tieferen Pegel aus, die der ES I der LSV entsprechen.

Lärmimmissionen betreffen viele Anwohner in umliegenden Gemeinden

Beispiel Windpark Chall: Von Lärmimmissionen betroffene Gebiete
Beispiel Windpark Chall: Von Lärmimmissionen betroffene Gebiete

Aktuelle Windkraftanlagen sind 150 - 230 m hoch und emittieren Betriebsgeräusche über 105 dB(A). Diese beträchtlichen Pegel führen dazu, dass die Anlagen im weiten Umfeld Lärmimmissionen verursachen, die die Grenzwerte der Lärmschutzverordnung auch in über 1000 m Entfernung noch überschreiten können.

In ruhigen ländlichen Wohngebieten können jedoch auch schon geringere Immissionspegel zu deutlichen Störungen führen. Der von der WHO empfohlene Grenzwert nachts von 40 dB(A) kann auch noch in 2000 m Entfernung erreicht oder überschritten werden. Insbesondere im tieffrequenten Bereich können durch amplitudenmodulierte Geräusche starke Störungen verursacht werden. Dieser Effekt wird bei Betrieb von mehreren Anlagen in einem Windpark noch verstärkt.

Mindestabstände zur Einhaltung der Lärmschutzverordnung

Mindestabstände für Vestas V112 und Enercon E-103 zur Einhaltung der Planungswerte LSV (Klick für vollständige Darstellung)
Mindestabstände für Vestas V112 und Enercon E-103 zur Einhaltung der Planungswerte PW ES1 bis ES4 gemäss Lärmschutzverordnung LSV

Die EMPA hat 2010 eine schlüssige Empfehlung zur Ermittlung von Lärmimmissionen durch Windkraftanlagen erstellt. Eine Berechnung gemäss dieser Empfehlung und mit Herstellerangaben zu aktuellen Windkraftanlagen zeigt die zur Einhaltung der Planungswerte PW der verschiedenen Empfindlichkeitsstufen notwendigen Mindestabstände von bewohntem Gebiet und Gebäuden.

Die nebenstehende Tabelle zeigt, dass schon eine einzelne Anlage zur Einhaltung der Planungswerte für ES II nachts von 45 dB(A) mindestens 955 m von bewohntem Gebiet entfernt sein muss. Bei den strengeren Werten der ES I und der NNG Empfehlung der WHO von 40 dB(A) sind es 1500 m! Emittieren zwei Anlagen auf das Gebiet sind es bereits 1260 m resp. 1920 m! Bei den Parklayout auf den Jurahöhen ist meist mit mehreren gleichzeitig emittierenden Anlagen zu rechnen.

Diese Berechnungen basieren auf aktuellen Herstellerangaben, welche noch um bis 3 dB überschritten werden können. Mit +4 dB wurde daher ein sehr moderater Sicherheitszuschlag gewählt, der nur 84% Sicherheit gewährt. Um die Einhaltung der Grenzwerte mit 98% Sicherheit gewähren zu können wäre ein Zuschlag von bis zu 8 dB (2σ) notwendig. Ebenfalls berücksichtigt werden muss ein späteres Repowering mit noch grösseren und lauteren Anlagen (bis 110 dB(A) und mehr, siehe Tabelle unten).

Um eine Überschreitung der Grenzwerte der LSV ausschliessen zu können ist ein Mindestabstand von 2000 m zu Siedlungsgebieten und bewohnten Gebäuden somit absolut unerlässlich.

Richtplanergänzung Windparkgebiete BL - 700m sind viel zu nah!

Mindestabstände für Anlagen nach Repowering 110 dB(A)
Mindestabstände für Anlagen nach Repowering 110 dB(A) zur Einhaltung der Planungswerte PW ES1 bis ES4 gemäss Lärmschutzverordnung LSV

In der Richtplanergänzung für Windparkgebiete BL ist man (in Abstimmung mit Suisse éole) leider nur von 700 m ausgegangen. Dieser Abstand ist viel zu gering! In der Berechnungstabelle oben sieht man, dass die Planungswerte gemäss LSV in dieser Entfernung schon von einer einzigen emittierenden Anlage massiv überschritten werden.

Dies ist nicht sinnvoll und führt wahrscheinlich zu Beeinträchtigungen vieler Anwohner der umliegenden Gemeinden und zu einer Flut von Beschwerden und Schadenersatz-Klagen. Vermutlich ist man noch Empfehlungen aus früheren Jahren gefolgt, die von kleineren und leistungsschwächeren Anlagen (Höhe bis 100m, 1 bis 2 MW) ausgehen, wie etwa dem EMPA-Bericht von 2010.

Festlegungen in anderen Ländern

Natürlich muss man für heutige Windpark-Projekte auch mit den Werten aktueller Anlagen und mit gleichzeitigen Emissionen von mehreren Anlagen rechnen, so wie in der Tabelle oben aufgezeigt. Ebenfalls berücksichtigt werden muss ein späteres Repowering mit noch grösseren und lauteren Anlagen bis 110 dB(A) und mehr (Tabelle rechts).

In Bayern gilt in der Bauordnung (BayBO) Art. 82 ein Mindestabstand von 10H (10-fache Höhe). In Bayern mit ca. 750 Anlagen (1.8 GWh/Jahr 2% Stromanteil) und vergleichbaren Landschaften hat man auch grosse Erfahrung mit Windkraft. In Grossbritannien gelten schon länger 3000 m Sicherheitsabstand zu Siedlungsgebieten. In vielen andern Ländern diskutiert man aktuell grössere Sicherheitsabstände, nachdem bei geringeren Abständen viele Probleme aufgetreten sind.

In der kleinräumigen und dicht besiedelten Schweiz sind 2000 m der minimalste Sicherheitsabstand, der verantwortbar ist und den Schutz der Anwohner vor unzulässigen Lärmbelastungen sicherstellt. Dieser Schutz ist durch den in der Richtplanergänzung momentan festgelegten Abstand bei weitem nicht gewährleistet! Dem Kanton kommt in der Raumplanung als übergeordneter Behörde eine grosse Verantwortung zu.

Lärmbeurteilung nach Lärmschutzverordnung - "Zeitliche Verdünnung"

LSV - Zeitliche Verdünnung
Lärmschutzverordnung LSV - Zeitliche Verdünnung der Lärmereignisse reduziert den Beurteilungspegel beträchtlich

Gemäss Lärmschutzverordnung LSV werden alle Lärmereignisse auf die Dauer von 12 Stunden resp. auf das ganze Jahr "verdünnt" und somit deutlich abgeschwächt. Untersuchungen mit verschiedenen Windverteilungen (k=2.0) zeigen für Mittelwinde von 5.0 bis 6.0 m/s eine zeitliche Verdünnung von -3.5 bis -4.6 dB. Bei Mittelwind von 5.5 m/s (Chall auf 140 m ü. Grund) beträgt sie -4.0 dB.

Die Maximalpegel können jedoch während 15 - 20% (bis 1750 h) des Jahres auftreten und wirken dann völlig unverdünnt auf die betroffenen Anwohner. In dieser Periode sind die Lärmimmissionen somit um bis zu 4.6 dB oder ca. 1.5-mal höher.

Die Emissionen von Windkraftanlagen können durch Drosselung reduziert werden. Allerdings gehen dadurch 20 - 30% der Stromproduktion verloren. Es ist daher klar, dass Windparkbetreiber die zulässigen Grenzwerte immer vollständig ausnutzen werden. In ruhigen ländlichen Gegenden bedeutet dies meist eine massive Zunahme resp. Verdoppelung der Lärmbelastung um bis zu 10 dB.

A-Filter bei Lärmmessungen nach IEC 61400-11

A-bewertetes und unbewertetes effektives Terzbandspektrum einer Vestas V112 3.0 MW. Bei tiefen Tönen werden die Pegel durch das A-Filter massiv tiefer bewertet. Unbewertete Pegel bis zu 130 dB sind durchaus möglich.
A-bewertetes und unbewertetes effektives Terzbandspektrum einer Vestas V112 3.0 MW. Bei tiefen Tönen werden die Pegel durch das A-Filter massiv tiefer bewertet. Unbewertete Pegel bis zu 130 dB sind durchaus möglich.

Eine weitere Methode in der Akustik ist die Bewertung der effektiven Lärmpegel mit dem A-Filter. Dies soll dem Hörempfinden des Menschen entsprechen. Dadurch werden vor allem tiefe Töne, wie sie von grossen Windkraftanlagen immer stärker emittiert werden, deutlich geringer bewertet.

Die nebenstehende Grafik zeigt das unbewertete (rot) und das A-bewertete (orange) Terzbandspektrum am Beispiel einer Vestas V112 3.0 MW. Die Herstellerangaben beziehen sich auf die mittlere Frequenz von 500 Hz. Die Bewertung mit dem A-Filter führt bei dieser Frequenz schon zu einem um 3 dB tieferen Pegel.

Noch tiefere Frequenzen bei 20 Hz und Infraschall werden sogar um 50 - 70 dB tiefer bewertet. Die unbewerteten Pegel können in diesem Bereich durchaus enorme 123 bis 131 dB erreichen.

Infraschall-Immissionen 1 bis 20 Hz

Es gibt viele Hinweise darauf, dass Infraschall-Immissionen einen Einfluss auf das Wohlbefinden und die Gesundheit von Anwohnern in der Nähe von Windparks haben können. Einige medizinische Gutachten geben plausible Begründungen für die festgestellten Effekte und Beeinträchtigungen. Eine Tatsache sind die Infraschall-Emissionen von Windkraftanlagen, die enorme Pegel erreichen können. Diese sind zwar vom menschlichen Gehör nicht hörbar aber trotzdem vorhanden und problemlos messbar.

Namhafte Institute In Deutschland und Europa haben die fehlenden Untersuchungen zum Einfluss von Infraschall bemängelt. Das Deutsche Umweltbundesamt hat deshalb 2011 ein Forschungsprojekt gestartet, das immer noch läuft. Das vorläufige Ergebnis ist eine Machbarkeitsstudie, die die bisherigen Erkenntnisse zusammenfasst und das weitere Vorgehen aufzeigt. Auf unserer Medienseite finden Sie zu dieser Problematik zwei interessante TV-Beiträge.

Schattenwurf

Schattenwurf von zwei Windkraftanlagen auf dem Chall in die Gemeinde Burg i.L. Im Winterhalbjahr sind Beeinträchtigungen möglich.
Schattenwurf von zwei Windkraftanlagen auf dem Chall in die Gemeinde Burg i.L. Im Winterhalbjahr sind Beeinträchtigungen möglich.

Ein häufig nicht bedachtes Problem bei Windkraftanlagen ist der Schattenwurf. Bei tief stehender Sonne im Winterhalbjahr kann der Schatten der Rotoren auch auf weiter entfernte Gebiete fallen und dort pulsierende Helligkeitsunterschiede verursachen. Diese können im schlimmsten Fall Unbehagen und neuronale Störungen auslösen.

In der Gemeinde Burg i.L. z.B. ist der Schattenwurf von zwei Anlagen auf bewohnte Gebäude zwischen November und Februar möglich. Die Grenzwerte liegen bei 8h Gesamtdauer pro Saison. Auf unserer Medienseite haben wir hierzu ein anschauliches Video verlinkt.

Eine Gegenmassnahme ist die Abschaltung der entsprechenden Anlagen, wodurch ein Teil der möglichen Stromproduktion verloren geht. Besser wäre es, die Anlagen so zu platzieren, dass kein Schattenwurf auf bewohnte Gebäude möglich ist. Menschen in der unmittelbaren Umgebung der Windkraftanlagen wären allerdings trotzdem noch betroffen. Zum Beispiel beim Wandern oder Rasten.

Eiswurfgefahr !

Absperr-Beschilderung wie im französischen Jura würde auf dem Chall als Sicherheitsmassnahme kaum ausreichen.
Absperr-Beschilderung wie im französischen Jura würde auf dem Chall als Sicherheitsmassnahme kaum ausreichen.

Im Winter besteht die Gefahr, dass die 50 - 60 m langen Rotorblätter vereisen. Dabei können sich Eisbrocken von den Rotorblättern lösen und aus grosser Höhe mit hoher Geschwindigkeit in das umliegende Gebiet geschleudert werden. Im Umkreis von bis zu 600 m um die einzelnen Anlagen besteht dann Lebensgefahr!

Karte des IWB-Projekts: Gelb sind die möglichen Gefahrenbereiche um die Anlagen dargestellt. Mit nur ca. 1 km stehen diese auch nicht sehr weit weg von Burg und Kleinlützel.
Karte des IWB-Projekts: Gelb sind die möglichen Gefahrenbereiche um die Anlagen dargestellt. Mit nur ca. 1 km stehen diese auch nicht sehr weit weg von Burg und Kleinlützel.

Der Chall ist heute auch im Winter bei Wanderern, Bikern und Joggern beliebt und gut frequentiert. Eine entsprechende Warnbeschilderung, wie sie im französischen Jura Anwendung findet, würde kaum ausreichen, um das Gefahrengebiet genügend abzusichern um Unfälle zu vermeiden.

Die Anlagen müssten in dieser Situation unbedingt abgeschaltet werden oder mit aufwändigen Rotorblattheizsystemen ausgerüstet werden. Diese sind allerdings teuer, rentieren kaum und benötigen selber Strom für den Betrieb.

Eine weniger erfreuliche Möglichkeit wäre, die Gefahrenzonen um die Anlagen in den Wintermonaten dauerhaft abzusperren. Dies fände jedoch wohl kaum Beachtung und Akzeptanz bei der Bevölkerung.

Die Immissionen durch grosse Windkraftanlagen sind erheblich. Um Beeinträchtigungen der Anwohner zu vermeiden müssen die dazu notwendigen Mindestabstände zwingend eingehalten werden. Mit der vorliegenden Richtplanergänzung ist dies leider nicht gegeben. Um kostspielige Beschwerden und Klagen von betroffenen Anwohnern und Gemeinden zu vermeiden müssten daher Korrekturen erfolgen und die nicht sinnvollen Festlegungen im Richtplan entsprechend angepasst werden.